Busdorf klingt klein und das ist es auch. Doch davon sollte man sich keines Falls täuschen lassen, denn hier, unweit der Kreisstadt Schleswig und direkt am idyllischen Haddebyer Noor, lag einst eines der bedeutendsten nordeuropäischen Handelszentren der Wikingerzeit: Haithabu.
Mehr als das Auge fassen kann
Nur wenig ist an der Oberfläche geblieben von dem einst so florierenden Haithabu, das sich archäologischen Erkenntnissen zufolge über eine Fläche von insgesamt 27 Hektar erstreckte. Doch wer genau hinsieht, findet sie noch – die Wikinger – oder zumindest das, was heute von ihnen geblieben ist. Denn neben dem modern eingerichteten Wikinger Museum vor Ort, entführt das dazugehörige Freigelände die Besucher in eine farbenfrohe und lebendige Zeit.
Während an manchen Tagen alles in einem Dornröschenschlaf zu liegen scheint und die eigene Vorstellungskraft gefragt ist, bestehen gerade in den Sommermonaten gute Aussichten auf ein Museumserlebnis der besonderen Art. Denn dann erwacht in und um die freistehenden, rekonstruierten Wikingerhäuser die Wikingerkultur erneut zum Leben. Im Fokus stehen insbesondere die Handwerkstechniken, welche nicht nur vorgeführt sondern auch selbst erprobt werden können. Ein Erlebnis, dass sowohl bei Klein und Groß für Begeisterung sorgt und für alle Teilnehmenden von unsagbarem Mehrwert gekrönt sein wird.
Besonders schön ist es auch, dass in den Sommermonaten der hauptamtliche Wikinger Reinhard Erichsen vor Ort ist – immer in der entsprechenden Wikingertracht und allzeit bereit für museale Arbeit, wie auch Fragen aller Art.
Friesen, Wikinger und die Ursprünge der Stadt
Obgleich Archäologen bereits vor über hundert Jahren erstmals in Haithabu eine Ausgrabung durchführten, sind bis heute nicht mehr als 5% des Siedlungsareals ergraben worden. Dies heißt jedoch nicht, dass das Wissen über die Siedlungsgeschichte ebenso gering ist. Und so gibt es Hinweise darauf, dass die für die Wikinger bekannte Stadt ursprünglich von friesischen Händlern gegründet worden ist. Diese erste Siedlung entstand allem Anschein nach im 8. Jahrhundert und wurde zunächst hauptsächlich saisonal genutzt. Vermutlicherweise bereits als Handelsstützpunkt.
Mit dem Ende des 8. Jahrhunderts zeigt sich anhand der archäologischen Funde jedoch ein zunehmend skandinavischer Einfluss, der durch Berichte über Angriffe auf Friesland ebenfalls in den Schriften aus dieser Zeit belegt ist. Den Grund für diese Machtübernahme sehen Forscher in der strategisch günstigen Lage Haithabus, die beispielsweise mit der Lage Konstantinopels verglichen werden kann. Denn die Siedlung wurde an der Schleswiger Landenge gegründet, die sich direkt auf dem Handelsweg zwischen Nord- und Ostsee befindet.
Knotenpunkt – Goldgrube
Doch es ist nicht nur die optimale Lage auf einer Ost-West-Achse, die Haithabu zu seiner Blüte verhalf. Denn die Nord-Süd-Verbindung, die über die Landwege und den berühmten Ochsenweg verlief, war eine mindestens ebenso lukrative Fügung. Und so unterhielten die Bewohner des Knotenpunkts Haithabu Handelsbeziehungen, die von Skandinavien über den Nordseeraum und Westeuropa bis ins Baltikum hineinreichten. Grund genug also, um sich ebenso wie andere Handelsstädte allmählich vor Angriffen und Übergriffen von außen zu schützen. Ab dem 10. Jahrhundert wurde deshalb ein Schutzwall errichtet, der sich in jenem Halbkreis um die Stadt zog, der auch heute noch das Bild von Haithabu bestimmt. Denn Spuren der Wallanlage sind noch immer in besonders gutem Zustand erhalten.
Das Ende einer Handelsmetropole
Den erwünschten Schutz brachte die Wallanlage letztlich nicht. Während 1050 eine Schlacht zwischen dem dänischen und dem norwegischen König schwere Zerstörung über Haithabu mit sich führte, fielen nur 16 Jahre später Westslawen über die nur noch teilweise wiederaufgebaute Stadt her. Im Zusammenhang mit der Schlacht von Hastings bildet das Jahr 1066 nicht nur das Ende von Haithabu, sondern gilt bislang innerhalb der Forschung ebenfalls als das Ende der Wikingerzeit.
Die überlebenden Einwohner der Stadt bauten Haithabu hiernach nicht ein weiteres Mal auf. Stattdessen entschieden sie sich auf die andere Seite des Schlei-Ufers zu ziehen – dorthin, wo heute die Stadt Schleswig liegt.
Vergessen ist die Geschichte dieser beeindruckenden Wikingerstadt dank der Initiativen des Wikinger Museums Haithabu zu unser aller Glück nicht. Neben einer Ausstellung, die mit Liebe zum Detail und auf modernste Weise konzipiert ist, lässt sich nicht nur die Stadtgeschichte, sondern auch die Vielseitigkeit der Wikingerkultur ergründen und erleben. Dies macht Haithabu meiner Ansicht nach zu einem der bedeutendsten und fortschrittlichsten archäologischen Museen des Landes. Wer in der Gegend ist, sollte diesen Ort also keines Falls verpassen. Und wer nicht ohnehin schon dort ist, sollte einen Ausflug in Erwägung ziehen, denn es lohnt sich auf unsagbar vielfältige Weise.